Mathematische Basiskompetenzen stärken: Wie digitale Medien unterstützen können
Die Ergebnisse aktueller Bildungsstudien wie dem IQB-Bildungstrend 2022 und der TIMSS 2023 zeichnen ein alarmierendes Bild: Die mathematischen Kompetenzen vieler Schülerinnen und Schüler in Deutschland entsprechen nicht den internationalen Mindeststandards. Besonders auffällig sind Defizite im Zahl- und Operationsverständnis, aber auch grundlegende Fähigkeiten wie Problemlösen und Lesekompetenz spielen eine entscheidende Rolle.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, können digitale Medien einen wichtigen Beitrag leisten – wenn sie sinnvoll eingesetzt werden. Doch welche Ansätze sind tatsächlich hilfreich, und worauf sollten Lehrkräfte achten?
Community Call: Expertinnen und Experten im Gespräch
Im Rahmen des Community Calls des Kompetenzverbund lernen:digital habe ich gemeinsam mit Fachleuten darüber diskutiert, wie digitale Medien gezielt zur Förderung mathematischer Basiskompetenzen eingesetzt werden können. Die Video-Aufzeichnung dieses Austauschs ist hier zu sehen:
Mit dabei waren Dr. Patrick Bronner (Lehrer und Fachberater für Unterrichtsentwicklung) und Prof. Dr. Susanne Prediger (Professorin für Mathematikdidaktik). In der Diskussion wurde deutlich: Digitale Medien bieten großes Potenzial – wenn sie methodisch und didaktisch sinnvoll eingesetzt werden.
Die digitalen Möglichkeiten sind vielfältig. Als besonders effektiv zeigen sich die folgenden Anwendungsbeispiele:
- Einsteigen und Erarbeiten mit interaktiven Tafelbildern – einzige Voraussetzung: digitale Tafel
- Vorwissen überprüfen (formatives Assessment) – zum Beispiel im Computerlabor, bevor ein neues Thema eingeführt wird
- Übungsphasen mit adaptiven Übungen – ideal für Laptop- und Tablet-Klassen im Unterricht (alternativ als Hausaufgaben)
Digitale Medien als Unterstützung: Zwischen Drill & Practice und formativem Feedback
Ein häufig diskutierter Ansatz zur Förderung mathematischer Basiskompetenzen ist der Einsatz von Intelligenten Tutoriellen Systemen (ITS). Diese Systeme bieten weit mehr als bloße Übungsplattformen: Richtig eingesetzt, ermöglichen sie ein gezieltes und lernförderliches Feedback.
Während klassische "Drill & Practice"-Ansätze primär auf das wiederholte Einüben von Aufgaben setzen, ermöglicht ein ITS durch formatives Feedback gezielt auf Verfahrensfehler zu reagieren. Statt bloßer Korrekturen erhalten Schülerinnen und Schüler dabei kognitiv aktivierende Hinweise und Hilfestellungen, die den Lernprozess anregen und Verständnis fördern.
Um den Wissenserwerb nachhaltig zu unterstützen, kommt es jedoch auf den richtigen Methodenmix an.
- Interaktive Tafelbilder eignen sich für die Arbeit im Plenum. Sie ermöglichen es Lehrkräften, mathematische Konzepte visuell aufzubereiten und Zusammenhänge anschaulich darzustellen. Sie dienen als Quelle von Impulsen für Unterrichtsgespräche.
- Adaptive Übungsmaterialien für die Einzelarbeit helfen, mathematische Verfahren anzuwenden und zu automatisieren.
- Analoge Aufgaben auf Papier sind ebenfalls ein wichtiger Teil des Unterrichts, um den Transfer des Gelernten zu festigen. Gleichzeitig ideal für Gruppenarbeit, soziale Interaktion und höhere Anforderungsbereiche.
Diese Kombination aus digitalen und analogen Methoden ermöglicht es, mathematische Basiskompetenzen umfassend zu fördern.
Adaptivität als Werkzeug: Chancen und Herausforderungen
Ein weiterer zentraler Aspekt Intelligenter Tutorieller Systeme ist ihre Fähigkeit zur Adaptivität. Hierbei wird der Lernweg individuell an die Fortschritte und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler angepasst. Doch Adaptivität ist nicht gleich Adaptivität – entscheidend ist, wie sie im Unterricht eingesetzt wird.
Makroadaptivität für individuelle Lernpfade
Makroadaptivität steuert den gesamten Lernpfad. Ohne klare Steuerung kann dies problematisch sein: Schülerinnen und Schüler arbeiten unter Umständen an vollkommen unterschiedlichen Inhalten, was den gemeinsamen Lernstand im Klassenverband gefährdet. Besonders kritisch wird es, wenn Inhalte vorgezogen werden, die eigentlich erst in späteren Unterrichtsstunden vorgesehen sind – dies kann zu Verwirrung und Frustration führen.
Die Lösung: Damit Makroadaptivität sinnvoll funktioniert, ist es entscheidend, dass die curricularen Ziele im System modelliert und in die Lernpfade integriert werden. So wird sichergestellt, dass Schülerinnen und Schüler gezielt an den Inhalten arbeiten, die ihrem Lernstand und den geplanten Unterrichtsschritten entsprechen.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass Lehrkräfte die Möglichkeit erhalten, aktiv in den Lernprozess einzugreifen. Eine Steuerungsmöglichkeit innerhalb des ITS ermöglicht es ihnen, Lernziele gezielt zu setzen und Aufgaben individuell anzupassen. So bleibt die Kontrolle über den Unterrichtsverlauf in der Hand der Lehrkraft, während die adaptiven Funktionen das eigenständige Lernen der Schülerinnen und Schüler unterstützen.
Mikroadaptivität für formatives Feedback
Mikroadaptivität hingegen setzt auf unmittelbares, situationsbezogenes Feedback während der Bearbeitung von Aufgaben. Dieses gezielte Eingreifen fördert den Lernerfolg besonders effektiv und bietet Lehrkräften wertvolle Einblicke in die individuellen Lernprozesse ihrer Schülerinnen und Schüler.
Die Forschung zeigt, dass insbesondere die Mikroadaptivität einen großen Mehrwert bietet. So verweist eine Studie des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), ebenso wie die Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) auf die hohe Wirksamkeit dieser Methode.
Die Studie des DFKI hebt die Bedeutung elaborierter Rückmeldungen hervor, die zur Lernwirksamkeit beitragen.
Basiskompetenzen stärken: Der Mix macht's
Digitale Medien bieten großes Potenzial zur Förderung mathematischer Basiskompetenzen – wenn sie zielgerichtet eingesetzt werden. Besonders erfolgreich sind Lernansätze, die adaptives Feedback mit interaktiven und analogen Methoden kombinieren.
Ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen Einsatz von Makroadaptivität ist die Modellierung curricularer Ziele sowie die Möglichkeit der Lehrkraftsteuerung. So können digitale Systeme sinnvoll in den Unterricht integriert werden, ohne den roten Faden im Lernprozess zu verlieren.
Die Diskussion im Community Call hat gezeigt: Ein durchdachter Einsatz digitaler Technologien kann dazu beitragen, die mathematischen Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern nachhaltig zu verbessern.
Christophe Speroni
