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Lernwirksame Funktionen von Intelligenten Tutoriellen Systemen verstehen und einsetzen

Christophe Speroni
Christophe hat bettermarks mitgegründet und ist für die Produktentwicklung verantwortlich. Sein Ziel ist es, das Lernen einfacher zu machen.

Die auf der DELFI 2023 in Fulda vorgestellte Studie des DFKI wirft ein neues Licht auf die Wirksamkeit von Intelligenten Tutorielle Systemen (ITS) im Bildungsbereich: Es geht nicht nur darum, moderne Technologien ins Klassenzimmer zu bringen, sondern auch darum, wie sie basierend auf fundierter Forschung entwickelt und implementiert werden.

Hierbei stellt sich die Frage: Wie können wir sicherstellen, dass Lernende in Übungsphasen nicht über- oder unterfordert werden, sondern genau die richtige Balance zwischen Herausforderung und Verständlichkeit finden? Ein Ergebnis der Studie: Durch gezieltes Scaffolding (»elaborierte Rückmeldungen«) können Schülerinnen und Schüler Aufgaben bewältigen, die ohne diese Unterstützung zu herausfordernd gewesen wären. Ein Blick auf Studienergebnisse zeigt, welche weiteren Funktionen in einem ITS für Aha-Momente sorgen.

Relevante Eigenschaften eines ITS und ihre lernwirksame Bedeutung

Die Frage nach der Wirksamkeit Intelligenter Tutorieller Systeme in der Schule ist von entscheidender Bedeutung. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz hat diese Frage in einer umfassenden Literaturstudie untersucht, die international publizierte, empirische Evidenz zu Funktionen und Komponenten adaptiver Tutoring-Systeme für Mathematik sichtete.

Insgesamt wurden 13 Meta-Studien und 126 Wirkungsstudien analysiert, wodurch eine detaillierte Einschätzung der für Lerneffekte relevante Funktionalitäten ermöglicht wurde. Die Kernergebnisse der Studie betonen die folgenden Eigenschaften:

  1. Feine Auflösung von Lernzielen und Aufgaben
    Die feingranulare Auflösung von Lerninhalten und -aufgaben fördert die Integration von prozeduralem und deklarativem Wissen und verbessert den Lernerfolg. Speziell in Mathematik-Lernsystemen zeigt sich, dass nicht nur die Quantität, sondern vor allem die Qualität und Strukturierung der Aufgaben entscheidend sind.
  2. Reichhaltige Interaktionswerkzeuge
    Intelligente Eingabewerkzeuge gehen über einfache Quiz-Formate hinaus und ermöglichen den Schülerinnen und Schülern, mathematische Verfahren aktiv anzuwenden und zu üben. Intelligente und reichhaltige Werkzeuge haben sich als lernwirksamer herausgestellt, insbesondere wenn sie unterschiedliche Darstellungs- und Interaktionsformen bieten.
  3. Elaboriertes Push-Feedback
    Ein einfaches »Richtig/Falsch«-Feedback verhindert, dass »das Falsche« eingeübt wird. Doch differenziertere Rückmeldungen, die auf erkannten Fehlermustern basieren und passende Hilfestellungen anbieten, aktivieren die Lernenden kognitiv und unterstützen effektiv den Lernprozess.

Die Lernwirksamkeit eines ITS wird nicht nur durch dessen Kernmerkmale bestimmt, sondern ebenso entscheidend durch die Rahmenbedingungen. Vor allem die Kompetenz und pädagogische Einbindung der Lehrenden sind zentral für den Lernerfolg im Schulalltag. Hierbei ist eine gezielte Fortbildung in der Systemanwendung unabdingbar. Des Weiteren muss das System in der Lage sein, Inhalte für sämtliche Bereiche des Curriculums bereitzustellen, um eine ganzheitliche Unterstützung im Lernprozess zu gewährleisten.

Wirkungsbereich von Scaffolding

Beim Zusammenspiel zwischen dem Schwierigkeitsgrad des Aufgabematerials und den Fähigkeiten der Lernenden zeigt sich ein interessantes Muster, das sich auch in Mihály Csíkszentmihályis Flow-Theorie widerspiegelt. In seiner Theorie beschreibt Csíkszentmihályi den »Flow« als einen Zustand völliger Vertiefung und Aufgehen in einer Tätigkeit, wobei dieser Zustand am wahrscheinlichsten ist, wenn die Herausforderungen einer Aufgabe und die Fähigkeiten des Einzelnen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Scaffolding, das adaptive Hilfsgerüst in einem ITS, spielt eine Schlüsselrolle, Lernende in diesen Flow-Zustand zu bringen. Ein Bereich, der leicht überfordernd ist, kann durch Scaffolding-Maßnahmen effektiv unterstützt werden. Ohne diese gezielten Interventionen könnten die gestellten Herausforderungen unerreichbar und frustrierend sein, was den Flow-Zustand unterbrechen oder verhindern würde.

Die Kombination von Scaffolding und der Erkenntnis aus der Flow-Theorie betont die Bedeutung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Herausforderungen und Kompetenzen. Durch gezieltes Scaffolding, das zugleich kognitiv anregend und affektiv motivierend wirkt, können Lernende in einem optimalen Bereich agieren. Dies maximiert nicht nur den Lernprozess, sondern auch das Engagement und die Motivation der Lernenden.

Konkrete Umsetzung lernwirksamer Funktionen

Um den theoretischen Hintergrund und die lernwirksamen Eigenschaften eines ITS in einen praktischen Kontext zu setzen, betrachten wir drei konkrete Umsetzungsbeispiele.

Aufgaben für jeden Leistungsstand (Feine Auflösung von Lernzielen und Aufgaben)

bettermarks bietet adaptive Übungsaufgaben bis zum Regelstandard. Dabei ist es wichtig, dass insbesondere für Leistungsniveaus unterhalb des Mindeststandards ausreichend Aufgabenmaterial zur Verfügung steht.

Für die Fertigkeit »Anteile eines Ganzen ablesen« gibt es Aufgaben, die verschiedene Darstellungsformen wie das Kreis-, Streifen- und Flächenmodell nutzen. Die anzuwendenden Fähigkeiten reichen vom Einfärben von Anteilen über das Einteilen von Formen bis zum Bestimmen von Brüchen. Das strukturierte Zahlenmaterial der zur Verfügung stehenden Übungsaufgaben unterstützt gezieltes und repetitives Lernen, um die Konzepte zu festigen.

Anteile ablesen

Anteile ablesen: Aufgaben zum Üben verschiedener Fähigkeiten

Anwenden und Üben mathematischer Verfahren (Reichhaltige Interaktionswerkzeuge)

Das Zeichnen linearer Funktionen in bettermarks demonstriert die Effizienz von intelligenten Eingabewerkzeugen. Anstatt lediglich Wissen durch Single-Choice-Tests abzufragen, können Schülerinnen und Schüler mit dem interaktiven Funktionsplotter tiefgreifende Verfahren durch das Ablesen von Koordinaten, Setzen von Punkten und das Abtragen von Steigungen erleben und üben.

Funktion zeichen

Mit dem Funktionsplotter können mathematische Kompetenzen angewandt werden.

»Nicht falsch« muss nicht richtig sein (Elaboriertes Push-Feedback)

Konstruktive Feedbacks regen zur Reflexion an: Nehmen wir an, eine Schülerin oder ein Schüler vereinfacht einen Term und übersieht, dass gleiche Variablen zu Potenzen zusammengefasst werden können; das System liefert in einem solchen Fall gezieltes Feedback. Diese Art der Rückmeldung führt oft zu Aha-Momenten, in denen das Verfahren klar wird.

Rückmeldungen zum Vereinfachen eines Terms

Sofortige Rückmeldungen fördern die Reflexion.

Evidenzbasierte Entwicklung Intelligenter Tutorieller Systeme

Die Erkenntnisse rund um die Wirksamkeit von Intelligenten Tutoriellen Systemen und deren konkrete Anwendung markieren einen Wendepunkt in der pädagogischen Landschaft. Die reine Einführung von Technologie im Klassenzimmer reicht nicht aus, um Lernergebnisse zu verbessern.

Der Erfolg liegt im Zusammenspiel von Technologie, pädagogischer Expertise und Messung der Wirksamkeit. Dabei ist es wichtig, dass das ITS die Rolle der Lehrkraft stärkt: Ein ITS gibt Schülerinnen und Schülern sofortige und individuelle Rückmeldungen, insbesondere in Übungsphasen und bei Hausaufgaben, wo es Lehrkräften nahezu unmöglich ist, allen Lernenden sofortiges Feedback zu geben. Dies führt zu einer signifikanten Reduzierung des Korrekturaufwands und liefert zudem eine automatische Auswertung der Ergebnisse. So werden Lehrkräfte von zeitraubenden Routinetätigkeiten befreit, was ihnen mehr Zeit für inhaltliches Arbeiten mit der Klasse und wertvolle soziale Interaktionen lässt.

Es bleibt die Herausforderung, diese Systeme erfolgreich in den Schulalltag zu integrieren, um Lehrkräfte zu entlasten und Freiräume für Unterrichtsgespräche und Gruppenarbeiten zu schaffen.

Christophe Speroni

Christophe hat bettermarks mitgegründet und ist für die Produktentwicklung verantwortlich. Sein Ziel ist es, das Lernen einfacher zu machen.

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