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„In manchen Bundesländern finden wir nicht mal jemanden, der mit uns spricht“

Arndt Kwiatkowski
Arndt ist Co-Gründer und Co-Geschäftsführer bei bettermarks.
Arndt Kwiatkowski im Interview mit Sofie Czilwik von Bildung.Table über Problemlösestrategien und Zukunftsvision von bettermarks. Das Interview erschien am 27.04.2022.

Bildung.Table bezeichnet bettermarks als die erfolgreichste digitale Lernanwendung in Deutschland. Die Plattform hilft Schüler:innen dabei, Mathe besser zu verstehen. Mehrere Studien, vom Unternehmen bettermarks GmbH in Auftrag gegeben, belegen, dass das für Schüler:innen tatsächlich funktioniert: sie schneiden in Mathe besser ab, wenn sie bettermarks nutzen. Mittlerweile lernen in mehreren Bundesländern und Schulen in Deutschland, aber auch in den Niederlanden, in Südafrika und in Urugay, Kinder und Jugendliche mit bettermarks. Doch bis dahin war es ein weiter Weg, sagt Gründer und Geschäftsführer Arndt Kwiatkowski.

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Was ist eine gute Geschäftsidee?

Aus meiner Sicht: Wenn man es durch technische Innovation schafft, für viele das Leben einfacher zu machen. Es interessiert mich nicht, den nächsten Energydrink auf den Markt zu bringen, nur um am Ende mehr rauszubekommen, als man reingesteckt hat. Mir und meinem Team geht es darum, zur Lösung gesellschaftlich relevanter Probleme beizutragen.

Sie haben 1997 das Portal Immobilienscout24 gegründet. Was genau ist daran gesellschaftlich relevant?

Als wir angefangen haben, hat eine Suche nach einer Immobilie in Deutschland über vier Monate gedauert, mit Immobilienscout24 fanden Wohnungssuchende 2007 innerhalb von zwei Monaten eine neue Wohnung. Einfach, weil durch uns der Markt transparenter wurde.

Mit bettermarks haben Sie eine Mathe-Lernplattform entwickelt. Wie kamen Sie von Immobilien zu Schule?

Nachdem Christophe Speroni, Marianne Voigt und ich 2008 aus Immobilienscout24 ausgestiegen sind, haben wir uns gemeinsam überlegt, in welchem Bereich wir gründen wollen. Zur Auswahl stand die Gesundheitsbranche und der Bildungsbereich. Beides Felder, in denen die Digitalisierung in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen würde. Wir entschieden uns für Bildung. Das interessierte uns mehr. Außerdem dachten wir, dass es viel einfacher sei, hier eine Lösung zu finden. Dem war dann nicht so.

Das heißt, für eine Geschäftsidee braucht man erst ein Problem, das gelöst werden muss, und dazu dann die passende Lösung?

Absolut. Deshalb ging es uns auch nicht darum, eine Nachhilfeapp für ein paar Schüler zu entwickeln, sondern von Anfang an zielten wir auf das öffentliche Schulsystem ab. Dass das aber so lange dauern würde, bis unser Produkt in diesem Schulsystem auch wirklich genutzt wird, hätten wir nicht gedacht.

Sie haben 2008 gegründet, wann haben Sie die erste Lizenz für ein Bundesland verkauft?

Zehn Jahre nach der Gründung, also 2018 an Hamburg. Mittlerweile haben auch Rheinland-Pfalz, Bremen, Brandenburg, Niedersachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Lizenzen erworben. Sodass wir als Unternehmen letztes Jahr unseren Break Even erreicht haben. Heißt: Wir nehmen jetzt mehr ein als wir ausgeben und können unsere Produkte weiterentwickeln.

Sie haben sich 12 Jahre lang als Unternehmen nicht getragen? Wie haben Sie so lange überlebt?

Zu einem geringen Teil durch unser Eigenkapital, das ich und meine Mitgründer mitgebracht haben, aus dem Verkauf unserer Anteile von Immobilienscout24. Und vor allem durch regelmäßige Finanzierungsrunden mit externen Investoren.

Wie oft mussten Sie Geld einsammeln?

Gefühlt endlos. Bestimmt alle eineinhalb Jahre. Insgesamt haben wir über 30 Millionen Euro in bettermarks investiert, bevor es sich getragen hat. Und Geld bekamen wir auch nur, weil wir immer wieder Erfolge vorweisen konnten. Beispielsweise verkauften wir an ganz Uruguay 2013 eine Lizenz für die Klassenstufen 5 bis 10.

Warum wollte keine deutsche Bildungsbehörde ihre Lernapp?

Im Jahr 2010 haben wir einen Piloten durchgeführt, mit 12 Schulen. Nach drei Monaten haben sich die teilnehmenden Lehrkräfte zusammengesetzt und haben gesagt: Wenn wir in der Breite bessere Ergebnisse in Mathematik erzielen wollen, dann brauchen wir bettermarks! Die Reaktion des Vertreters des Bildungsministeriums war: herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Projekt! Die Bildungsrendite ist toll! Leider kann ich nichts für Sie tun!

Heißt: kein Geld. Ab wann haben sich die Bildungsbehörden dann für Sie interessiert?

Erst ab 2016, als die KMK ihre Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ veröffentlichte. Ab dann gab es ein breiteres Interesse daran, das Bildungssystem wirklich zu digitalisieren. Denn mit der wachsenden Heterogenität der Schulklassen steigen die Herausforderungen für Lehrkräfte. Adaptive Lernsysteme, wie bettermarks, können die Lehrkräfte entlasten und den Schülern das Lernen im individuellen Tempo ermöglichen.

Das deutsche Bildungssystem gilt als zu bürokratisch und starr. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit?

Dort, wo es zu einer Zusammenarbeit gekommen ist, klappt sie sehr gut. In etlichen Bundesländern existiert das Bewusstsein, dass digitale Innovationen, weder von bestehenden Marktspielern kommen, noch von den Behörden selbst. Das Bildungssystem braucht also Unternehmen wie uns. Allerdings haben wir uns als Gesellschaft komplizierte Strukturen auferlegt: Etwa die Ausschreibungen oder dass die Behörden in die Unterrichtsgestaltung der Schulen nicht eingreifen dürfen. Und in manchen Bundesländern suchen wir immer noch nach Entscheidern, die mit uns sprechen können.

Wo ist es besonders schwierig?

Wir haben Lizenzen an sieben Bundesländer verkauft, im Saarland und in Schleswig-Holstein führen wir Pilotprojekte durch, in den meisten anderen haben wir noch keine Möglichkeit für eine breitere Zusammenarbeit gefunden.

Sie verkaufen nicht nur an Länder, sondern auch an einzelne Schulen. Lohnt sich das überhaupt?

Unsere Lizenz kostet für alle gleich, 10 Euro pro Kind, pro Jahr. Natürlich ist es sowohl für uns als auch für die Schulen sinnvoller, über die Landesbehörden zu gehen. Denn so beschleunigen wir die Verbreitung unseres Angebotes und die Schulen müssen sich nicht um alles selbst kümmern. Sie brauchen, um bettermarks zu nutzen, idealerweise eine digitale Infrastruktur, sie müssen Fragen des Datenschutzes klären und ihren Lehrern Weiterbildungen anbieten. Und vor allem: Sie brauchen ein Budget. Mit Unterstützung der Bildungsbehörden ist das natürlich einfacher. Es gibt immer noch Schulen, in denen die Lehrer mit dem Klingelbeutel durch die Klassen laufen müssen, um die bettermarks-Lizenzen zu finanzieren.

Wohin geht es für Ihr Unternehmen als Nächstes?

Zuerst wollen wir möglichst alle Schüler in Deutschland erreichen. Bisher wird bettermarks von gut 400 Tausend Schülerinnen und Schüler genutzt, über fünf Millionen könnten wir in den Klassenstufen 4 bis 13 erreichen.

Und danach?

Mathematik eignet sich sehr gut für digitale Lösungen. Wir bieten ein adaptives Übungsheft an, das sich an das Wissen und Können der Schüler anpasst. Wir wollen dies zu einem adaptiven Lehrwerk weiterentwickeln, sodass Lehrkräfte das System für alle Phasen des Mathematik-Unterrichts nutzen können. Zum Beispiel auch, um die Klasse in ein neues Thema einzuführen.

Werden Sie Lernsysteme für andere Fächer anbieten?

Wir haben zusammen mit unseren Partnern begonnen, ein adaptives Lehrwerk für das Fach Deutsch zu entwickeln. Dieses, und das für Mathematik, soll für die Klassenstufe 5 ab September 2023 in einer ersten Version nutzbar sein. Ab wann wir dann weitere Fächer angehen, hängt natürlich auch vom Interesse der Schulen und Landesbehörden ab.

Arndt Kwiatkowski

Arndt ist Co-Gründer und Co-Geschäftsführer bei bettermarks.

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